Im letzten Blogbeitrag findest du viele Tipps und Hinweise, wie Lehrkräfte das künstlerische Selbstbewusstsein ihrer Schüler:innen fördern können. Heute möchte ich einen Schritt zurücktreten und unser eigenes künstlerisches Selbstbewusstsein in den Blick nehmen.
Denn wenn wir ehrlich sind, kümmern wir uns liebend gerne um alle andere, sehen ihre Stärken und wundervollen Fähigkeiten – aber vergessen darüber hinaus häufig den wertschätzenden Blick uns selbst gegenüber.
Was dich in diesem Beitrag erwartet:
- Warum brauchen Lehrkräfte künstlerisches Selbstbewusstsein?
- Künstlerisches Selbstbewusstsein – was ist das überhaupt?
- Übung: Gedankenreise in die eigene Schulzeit
- In drei Schritten zu einem größeren künstlerischen Selbstbewusstsein
Warum brauchen Lehrkräfte künstlerisches Selbstbewusstsein?
In meinen Fortbildungen und Seminaren beobachte ich immer wieder, dass Lehrkräfte, fachfremde und fachstudierte gleichermaßen, sehr kritisch auf ihre eigenen künstlerischen Fähigkeiten blicken. Die eigenen Werke vor einer Gruppe zu präsentieren ist auch bei Erwachsenen oft mit unangenehmen Gefühlen verbunden, häufig sind sie unzufrieden mit ihren eigenen künstlerischen Ergebnissen und äußerst selbstkritisch.
Dabei ist es so wichtig, dass auch Kunstlehrkräfte über ein eigenes künstlerisches Selbstbewusstsein verfügen. Zum Einen macht es uns viel zufriedener und erhält uns dadurch auch die Freude an unserem Beruf. Zum Anderen agieren und handeln wir gegenüber unseren Schüler:innen viel authentischer und förderlicher, denn schließlich wollen wir auch bei ihnen das künstlerisches Selbstbewusstsein fördern.
Sollten wir ihnen dann nicht auch genau das vorleben?
Aus diesem Grund möchte ich dich durch diesem Blogbeitrag darin bestärken, ab heute auch dein eigenes künstlerisches Selbstbewusstsein zu stärken! Sei ein Vorbild für deine Schüler:innen und fang bei dir selbst an.
Dafür musst du allerdings ein bisschen Anstrengungsbereitschaft mitbringen. Denn dein künstlerisches Selbstbewusstsein wächst nicht von ganz allein, auch nicht von heute auf morgen, indem du diesen Beitrag mal eben so überfliegst.
Ich empfehle deshalb, dir für das Lesen dieses Beitrags ganz bewusst Zeit zu nehmen. Zeit zum Nachdenken, zum Notizen machen, darüber Schlafen, im besten Fall diskutierst du sogar mit einem lieben Menschen über deine Gedanken und Gefühle. Und Stück für Stück wird sich deine Sicht auf dein eigenes Können verändern.
Künstlerisches Selbstbewusstsein – was ist das überhaupt?
Vorneweg eine kleine begriffliche Einordnung. Ich habe ChatGPT gebeten, mir den Begriff Selbstbewusstsein in zwei Sätzen zu definieren:
„Selbstbewusstsein ist das Vertrauen einer Person in ihre eigenen Fähigkeiten und Urteile sowie das Bewusstsein ihrer Stärken und Schwächen. Es ermöglicht ein positives Selbstbild und eine selbstsichere Präsentation in verschiedenen Lebenssituationen.“
Wenn ich von künstlerischem Selbstbewusstsein spreche, meine ich damit das „Bewusst-sein“ über die eigenen künstlerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, darüber, was ich gut kann und was ich weniger gut kann, wenn ich selbst kreativ werde. Und dieses künstlerische Bewusst werden hilft mir ein positives Selbstbild in künstlerischen Kontexten zu entwickeln und mit mir selbst zufrieden zu sein.
Dabei hat Selbstbewusstsein eine tiefgehende Geschichte, denn es bildet sich im Laufe unseres ganzen Lebens. Schon als wir selbst noch Kinder waren, prägten uns die Reaktionen unserer Mitmenschen, wenn wir einen Stift oder einen Pinsel in die Hand nahmen, um ein Bild zu malen.
Übung: Gedankenreise in die eigene Schulzeit
Nimm dir etwas Zeit und überlege in Ruhe, an welche Reaktionen bezüglich deiner gestalteten Werke du dich in deiner Schulzeit erinnerst.
Ziel dieser Übung:
Das Bewusstwerden darüber, wie Reaktionen von außen uns im Innersten prägten und noch Jahrzehnte später unser Denken und Handeln beeinflussen.
Welche positiven und welche negativen „Kunst-Situationen“ fallen dir aus deiner eigenen Schulzeit ein?
Vielleicht erinnerst du dich an ein besonderes ein Lob, das du für eine kreative Leistung in deiner Schulzeit bekommen hast? Wer hat dir das Lob damals gegeben und fiel es dir leicht, das Lob anzunehmen? Oder gab es Gründe, warum sich dieses Lob ganz anders angefühlt hat?
Und sehr wahrscheinlich erinnerst du dich auch an Situationen, in denen dein Kunstwerk nicht wertgeschätzt wurde, jemand anderes hineingemalt hat, es verglichen wurde, geleugnet, darüber gelacht, zerrissen oder es einfach weggeschmissen wurde.
Nimm dir Zeit in Ruhe darüber nachzudenken und betrachte die Situation aus verschiedenen Perspektiven.
Mir selbst fallen direkt unterschiedliche Situationen ein, die mich zu Hause, in der Grundschule und auf dem Gymnasium sehr prägten – und allein die Tatsache, dass ich mich nach 30 Jahren noch immer daran erinnere und die Situationen immer noch fühle, zeigt mir, dass diese Reaktionen von außen mein Inneres stark beeinflusst haben.
Wie genau, dass muss an dieser Stelle jeder Mensch selbst für sich herausfinden. Aber häufig ist es genau das Gefühl von damals, das auch heute noch in unserem Alltag auftaucht. Manchmal gibt es auch spannende Verbindungen zwischen der eigenen Rolle in der Familie, unter den Mitschüler:innen und gegenüber den Lehrkräften.
Nachdem du dir also bewusst geworden bist, welche Situationen aus der Schulzeit dich prägten, möchte ich dir noch drei Tipps mitgeben, die dir helfen können dein eigenes künstlerisches Selbstbewusstsein Schritt für Schritt zu stärken.
In drei Schritten zu einem größeren künstlerischen Selbstbewusstsein
Schritt Nr. 1: Befreie dich von früheren Beurteilungen anderer
Ausgehend von der eben aufgeführten Übung rate ich dir, die Erinnerungen an die Worte, Sätze oder Blicke der anderen loszulassen, wenn sie dir damals wie heute ungute Gefühle bereiten. Lass sie einfach ziehen. Sag deinem früheren Ich, was du gerne gehört hättest. Höre nicht auf das, was andere darüber sagen würden. Am besten sagst du den Menschen in deiner Erinnerung das, was du ihnen schon längst hättest sagen sollen – zumindest in deinen Gedanken.
Du brauchst dich für keine deiner Zeichnungen schämen, weder früher noch heute. Mach dir bewusst, dass du möglicherweise mit deinen Fähigkeiten nicht richtig gesehen wurdest. Es geht in der Kunst nicht um schön oder hässlich, richtig oder falsch. Es geht viel mehr um die kleinen, unscheinbaren Dinge, die im Vorübergehen oft nicht wahrgenommen wurden. Aber du siehst sie, zumindest aus heutiger Sicht. Und das solltest du dir auch unbedingt sagen und bewusst machen.
Wenn du selbst deine eigene Lernentwicklung von der Grundschulzeit bis heute betrachtest, kannst du wahrscheinlich sehr zufrieden mit dir sein. Mach dir bewusst, dass du heute jemand anderes bist als damals und du nichts darauf geben solltest, was andere Leute über deine Kunst denken oder sagen.
Schritt Nr. 2: Erlebe dich als selbstwirksam
Du selbst hast die Möglichkeit deine künstlerischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Wie sagt man so schön? Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wenn du also unzufrieden mit deinen Fähigkeiten bist, nützt es recht wenig, immer nur selbstkritische Blicke darauf zu werfen. Du selbst kannst etwas daran ändern und dich als selbstwirksam erleben, wenn du wirklich etwas ändern willst. Setz dich ran und übe!
Lege dir z.B. ein kleines Skizzenheft zu und skizziere jeden Tag. Es gibt Anleitungsvideos auf youtube oder Zeichenchallenges auf Instagram, aber auch Bücher oder Workshops, die dir auf deinem Weg helfen können, und eine unglaublich große Community auf Social Media, die jeden Tag mit den selben Zweifeln zu kämpfen hat, wie du.
Mein absolutes Lieblingsprofil in dieser Hinsicht ist übrigens @linescapes.drawing. Ich fühle mich in den wunderbaren leichtfüßigen Illustrationen immer enorm verstanden, irgendwo zwischen großen Selbstzweifeln und Motivation, Prokrastination und kreativem Flowgefühl.

Es ist völlig normal, dass uns manches gut gelingt und anderes so gar nicht gefällt. Was soll’s! Wenn wir ehrlich sind, haben wir es eben auch noch nicht wirklich intensiv geübt.
Und was ist, wenn ich das gar nicht möchte?
Schritt Nr. 3: Übe dich in Selbstakzeptanz
Mach dir bewusst, was du kannst und was du (noch) nicht kannst. Akzeptiere deine Fähigkeiten und höre auf, sie mit anderen zu vergleichen. So wie du bist, bist nur du. So wie du skizzierst, skizzierst nur du. So wie du malst, malst nur du. Und es ist egal, ob andere das besser können oder schlechter.
Die Menschen auf der Welt sind vielfältig und das ist auch gut so, denn jeder bringt seine individuellen Stärken mit und es ist ein Fest voneinander zu lernen.
Sprich in deinen Gedanken freundlich, wertschätzend und konstruktiv mit dir über deine eigenen Werke, so wie du es auch mit anderen tun würdest. Weg mit deinem selbstkritischen Blick!
Außerdem ist es völlig ok, wenn man mal keine Lust hat oder sich unkreativ fühlt. Das Leben ist keine Autobahn der Kreativität. Viel eher wohl eine wilde Achterbahnfahrt. Jeder Tag bringt neue Höhen und Tiefen mit sich und wer weiß, vielleicht sieht die Welt morgen schon wieder ganz anders aus.
Lerne dich und deine Phasen kennen und vertraue darauf, dass dich die Muse früher oder später wieder küssen wird, solange du auf dich und deine Bedürfnisse acht gibst.
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Ich hoffe sehr, dass ich dem einen oder anderen Menschen mit diesem Beitrag ein bisschen mehr künstlerisches Selbstbewusstsein mit auf den Weg geben konnte.
Schreib mir gerne einen Kommentar, hier auf dem Blog oder gerne auch auf Instagram @kunstentdeckerin. Denn wenn ich ehrlich bin, auch dieser Blogbeitrag war eine kleine Achterbahnfahrt für mich. 🙂

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